Wir leben in- und atmen Luft und wir hören Druckschwankungen in diesem Gasgemisch. Diese Druckschwankungen nehmen wir als Geräusche oder Töne wahr, wenn sie unser Trommelfell treffen und durch die anschließende mechanisch-hydraulische Nerven-übermittlung im Gehirn hörbar gemacht werden und zwar je nach Intensität des Signals und Empfindlichkeit des Gehörs unterschiedlich laut. Das Gehör könnte man auch als menschliches Mikrophon bezeichnen: es hat eine Membrane (Trommelfell), die Druckschwankungen in dem sie umgebenden Medium registriert und einen anschließenden Mechanismus (Innenohr), der diese mechanischen Impulse in elektrische umwandelt und sie so für das Gehirn, in dem der Höreindruck letztendlich entsteht, verwertbar aufbereitet.
Musikinstrumente sind Schallquellen, die auf unterschiedliche Art und Weise Töne erzeugen können. Das Akkordeon benötigt dafür Stimmzungen, die den sie passierenden Luftstrom, der ihnen mithilfe des Balges zugeführt wird, periodisch (also regelmäßig und immer wieder) unterbrechen, also steuern. Diese Flatterventilfunktion provoziert eine schwingende Luftsäule (periodische Druckschwankungen in der Luft) mit bestimmten Merkmalen:
Das Tonloch bildet die Verbindung von der Kanzelle zum Außenraum, es ist normalerweise durch die Ventilklappe verschlossen. Wird durch Betätigung der entsprechenden Klaviaturtaste die Ventilklappe
abgehoben, so ist der Weg für den Spielwind zur Stimmplatte und Zunge frei. Dabei ist selbstverständlich die Größe der Tonlochfläche nicht unwichtig. Sie muss so bemessen sein, dass die Luftströmung
nicht behindert wird.
Die Druckdifferenz zwischen dem Innenraum des Akkordeons und dem Außenraum entspricht dem Spieldruck, der vom Spieler aufgebracht werden muss. Es ist anzustreben, dass dieser Spieldruck unvermindert
an der Stimmplatte liegt. Dazu muss der Druck im Kanzellenraum, angenähert mit dem Außendruck (Umgebungsdruck) übereinstimmen.
Dies lässt sich aber nur durch eine große Tonlochfläche und einen weiten Ventilklappenhub erreichen.
Mit kleiner werdendem Tonloch nähert sich der Kanzellendruck mehr und mehr dem Innendruck, so dass die Druckdifferenz an der Stimmplatte mit negativen Auswirkungen auf die Ansprache und auf die
Schwingungsamplitude der Zunge abnimmt. Neben der Tonlochfläche und dem Ventilklappenhub hat auch die das Tonloch begrenzende Materialstärke (Füllung, Registerschieber, Stimmstocksohle) einen
Einfluss.
Mit zunehmender Tonlochtiefe wächst der Strömungswiderstand für den Spielwind und damit die schädliche Druckdifferenz aus Kanzellendruck und Außendruck. Die Beeinflussung des Spielwindes ist nur eine
Seite der Tonlochauswirkungen. Wie die Begriffsbezeichnung erkennen lässt, bildet das Tonloch darüber hinaus die Austrittsöffnung für die an der Stimmplatte erzeugten Schallwellen. Auch aus dieser
Sicht bestehen die gleichen Forderungen: die Tonlochfläche so groß wie möglich, die Tonlochtiefe so gering wie möglich und den Ventilklappenhub so weit wählen, dass keine Beeinflussung der
Klangstärke festzustellen ist. Von besonderem Interesse ist der Einfluss des Ventils auf die Tonzungenfrequenz. Entfernt man bei einer eingebauten Stimmplatte die beiden Ventile, so erhöht sich die
Frequenz der Tonzungen je nach Tonlage bis zu 20 Cent. Diese Tatsache ist unter den Akkordeonbauern bekannt. Vielfach wird aber fälschlicherweise angenommen, dass das Ventil durch sein Vorhandensein
die zum gleichen Schwingungskanal gehörende Zunge am Schwingen hindert und dadurch die Herabsetzung der Frequenz hervorruft.
Tatsächlich beträgt jedoch diese Frequenzverwerfung bei normalen, nicht zu steifen Ventilen nur bis zu 2 Cent. Der erwähnte große Frequenzsprung tritt durch das Ventil des anderen Kanals ein. Wenn
also an der eingebauten Stimmplatte das äußere Zungenventil entfernt wird, dann erhöht sich nicht die Frequenz der inneren, kanzellenseitigen Zunge, die zu diesem Ventil gehört, sondern die der
äußeren, neben dem entfernten Ventil liegenden Zunge. Dabei beruht der Einfluss des Ventils nur auf dem Verschließen des Parallelkanals. Unterschiedliches Material, andere Ventildicke usw. zeigen
keine oder nur eine verschwindend geringe Wirkung auf die Frequenz, sofern das Ventil einwandfrei abdichtet.
Dieses Phänomen des Ventileinflusses auf die Zungenfrequenz kann folgendermaßen gedeutet werden: Das eingeschlossene Luftvolumen im Kanzellenraum wirkt als Massebelastung
für die schwingende Zunge. Diese Belastung und damit die Frequenzverringerung ist dann am größten, wenn der Kanzellenraum gut verschlossen ist, wenn also der Parallelschwingungskanal durch das Ventil
abgedichtet ist.
Wird das Ventil entfernt, dann wird für den Kanzellenraum eine Öffnung frei,die Massebelastung nimmt ab, die Zungenfrequenz steigt an. (vgl. Gotthard Richter: Akkordeon 1990 S. 237, 239)
Eine Stimmzunge braucht ein gewisses Quantum an Luft, damit sie einwandfrei arbeiten kann. Dieses Quantum richtet sich nach der Stimmzungengröße (Tonhöhe, Mensur) und nach der angestrebten
Reproduktionslautstärke, die mittels Balg beeinflussbar sein muss.
Das jeweils benötigte Luftquantum steht in zeitlicher Abhängigkeit und nennt sich Luftdurchsatz. Wird der Spieldruck mittels Balg erhöht, so muss sich zwangsläufig die Strömungsgeschwindigkeit der
Luft an der Stimmzunge erhöhen, um das zur Tonerzeugung notwendige Luftvolumen im richtigen Zeitraum zur Verfügung zu stellen. An Querschnitts-verengungen etwa an der Ventilklappe oder am
Registerschieber wird bei einer Spieldruckerhöhung unter Umständen eine "kritische" Strömungsgeschwindigkeit erzeugt, d.h. der erforderliche Luftdurchsatz (das Verhältnis Luftmenge zu
Strömungs-geschwindigkeit) ist nicht mehr gewährleistet, die Stimmzunge kann ihre Nennfrequenz nicht halten (Frequenzverwerfung, Frequenzbeugung). Der Extremfall ist dann erreicht, wenn die
Stimmzunge gar nicht mehr ertönt.
Zur Veranschaulichung:
Hält man einem Sänger beim Singen die Kehle zu, bekommt er keine Luft mehr und kann nur noch krächzen.
Dieser Effekt wird bei der Mundharmonika gezielt eingesetzt, z.B. beim Blues und nennt sich "bending" (dt."biegen")= Frequenzverwerfung.
Bei einem Konzertinstrument ist dieser Effekt natürlich nicht erwünscht und steht den Anforderungen für eine musikalisch einwandfreie Darbietung, gerade im klassischen Bereich, entgegen.